Selbstblock, elektromechanische Stellwerke, Signalverbindungen
Auf der ältesten Strecke der S-Bahn von im Norden gelegenen Stadtteil Poppenbüttel bis in das im Westen auf schleswig-holsteinischem Gebiet liegende Wedel (Linien S1, S11) sind auch die ältesten Anlagen anzutreffen:
Es beginnt in Poppenbüttel mit einem elektromechanischen Stellwerk (Bauform E43), das zur Sicherung der Rangierfahrten in der umfangreichen Abstellanlage um ein Drucktasten-Stellpult ergänzt wurde. Dieses Pult dient zur Anzeige der Gleisbesetzung des gesamten Bahnhofs, außerdem werden von dort die Lichtsperrsignale für die Rangierfahrten bedient. Das für diese Anlage ungewöhnlich junge Inbetriebnahmedatum 6. Juni 1982 hängt mit dem Umbau der Zugangsanlage des Bahnhofs zusammen, bei dem das ursprüngliche mechanische Stellwerk am Treppenaufgang (Inbetriebnahme 1934, Bauform Jüdel) der Baggerschaufel zum Opfer fiel.
Interessanterweise wurden von diesem mechanischen Stellwerk niemals die üblichen Formsignale, sondern von Anfang an spezielle für den Stadtbahnbetrieb entwickelte Signalverbindungen (Sv-Signale) gestellt. Als Besonderheit sind hierbei das Haupt- und Vorsignalbild auf einem Signalschirm nebeneinander vereinigt. Die linken Lichter entsprechen den Hauptsignalbildern Hp0 (rot, Halt!), Hp1 (grün, Fahrt mit zugelassener Höchstgeschwindigkeit) und Hp2 (grün/gelb, Fahrt mit Geschwindigkeitsbeschränkung)
und geben an, ob und wie schnell der nachfolgende Gleisabschnitt befahren werden darf.
Die rechten Lichter auf dem Signalschirm entsprechen den Vorsignalbildern Vr0 (gelb/gelb, Halt erwarten), Vr1 (grün/grün, Fahrt erwarten) und Vr2 (grün/gelb, Fahrt mit Geschwindigkeitsbeschränkung erwarten) zu dem am folgenden Signal angezeigten Hauptsignalbild. Mit dem Sv-Signalsystem, erstmalig bei der Berliner S-Bahn verwendet, ist auf einfache Art eine eindeutige Fahranweisung an den Lokführer zu übermitteln.
Einen optimalen Überblick zum Sv- und den anderen, bei der Deutschen Bahn verwendeten Signalsystemen erhalten
Sie auf den Signal-Seiten von Christoph Schmitz.
Dort lassen sich sogar alle Signalbilder per Mausklick anzeigen!
Diese Signalverbindungen in alter Bauform sind überall zwischen Poppenbüttel und Landwehr
(Linien S1/S11) anzutreffen. Auf freier Strecke wird der 1944/45 eingeführte Selbstblock
verwendet, der als ein von der Bedienung des Menschen unabhängiges Signalsystem viele kleine Blockstellen
mit Formsignalen überflüssig machte und die mögliche Zugfolgezeit von 210 auf 90 Sekunden
verringerte. Voraussetzung für den Einsatz des Selbstblocks war die Ausrüstung der Strecken mit
Gleisstromkreisen, die mit einer an die Fahrschienen gelegten geringen Wechselspannung (bei der S-Bahn mit der
Frequenz von 42 Hertz) ein Überwachungsrelais zum Anzug bringen. Befährt ein Zug den überwachten
Abschnitt, schließen die Achsen den Stromkreis kurz und das Überwachungsrelais fällt
ab. Aus der Stellung dieses Relais kann die nötige Information (Gleis frei oder besetzt) für
die Ansteuerung entsprechender Signalbilder entnommen werden.
In der Grundstellung zeigen die Selbstblocksignale Sv1 (grün/grün, Fahrt! Fahrt erwarten). Sie
fallen nach Vorbeifahrt eines Zuges automatisch auf Sv0 (gelb/gelb, Halt! Weiterfahrt auf Sicht)
und decken damit den Zug vor nachfolgenden Fahrten. Nachdem dieser zwei weitere Signale vollständig
passiert hat und diese Halt zeigen, kommt das erste Signal in die Stellung Sv2 (grün/gelb, Fahrt! Halt
erwarten).
Die Grundstellung Sv1 (grün/grün, Fahrt! Fahrt erwarten) erreicht es wieder, wenn der Zug ein
viertes Signal in die Haltstellung gebracht hat und das zweite Signal die Stellung Sv2
(grün/gelb, Fahrt! Halt erwarten) zeigt.
Die Farbwechsel der beiden Signallichtpunkte werden bei den Selbstblocksignalen durch sogenannte
Blendenrelais erzeugt, die farbige Gläser zwischen Signaloptik und die mit zwei
Glühfäden (Haupt- und Nebenfaden) ausgerüsteten Lampen schieben.
Ein Zug befindet sich in der Regel unter der Deckung von zwei haltzeigenden Signalen; Abweichungen hiervon
gibt es im Bereich von Bahnsteigen zur Verringerung der Zugfolgezeiten. Auf freier Strecke ohne Weichen wird
dieser Haltbegriff aber nur bedingt gegeben. Dem Lokführer ist es nach einem kurzen Halt am
Gelb/Gelb-zeigenden Signal gestattet, die Fahrt auf Sicht mit höchstens 40 km/h
fortzusetzen. Steht im folgenden Abschnitt jedoch noch ein anderer Zug, muss erst dessen
Weiterfahrt abgewartet werden. Ist dies aufgrund der Sicht- oder Streckenverhältnisse (Nebel,
Dunkelheit, Tunnel, Kurven) nicht eindeutig feststellbar, können sich daher in
Einzelfällen bei dichtem Verkehr, verzögerter Betriebsabwicklung oder
Signalstörungen mehrere Züge in einem von zwei Signalen begrenzten
Blockabschnitt befinden.
Diese Regelung bildet einen erheblichen Gegensatz zu dem bei der Fernbahn verwendeten Signalsystem, das einem
Zug prinzipiell nur die Fahrt in einen vollständig freien Blockabschnitt gestattet.
Auf den Unterwegsbahnhöfen Ohlsdorf, Barmbek und Hasselbrook (Linien S1/S11) befinden sich
elektromechanische Stellwerke (Siemens & Halske 1912), von denen aus alle Zugfahrten im Bahnhofsbereich sowie
die Rangierfahrten in die Kehr- und Abstellanlagen geregelt werden. Hier zeigen die Sv-Signale zur Deckung von
Weichen zusätzlich Hp0 (rot, Halt!). Dieser Signalbegriff gestattet keine Weiterfahrt auf Sicht. Bei
Störungen kann das Signal jedoch bei richtiger Lage aller zur Fahrstraße gehörenden Weichen
vom Fahrdienstleiter für 90 Sekunden in die Stellung Sv0 (gelb/gelb, Halt! Weiterfahrt auf Sicht) gebracht
werden. Ist dies auch nicht möglich, dürfen bestimmte haltzeigende oder gestörte Signale auf
mündlichen Auftrag des Fahrdienstleiters (über Zugfunk oder Signalfernsprecher) passiert werden.
Sie sind durch eine weiße Tafel mit rotem Schreibschrift-M gekennzeichnet.
Außerdem besitzen einige Signale zusätzlich Einzeloptiken, um Langsamfahrbegriffe (Sv3 bis Sv6)
über abzweigend gestellte Weichen zu signalisieren.
Von Rangierfahrten passierte Signale sind mit Lichtsperrsignalen ausgerüstet oder können über
weitere auf dem Signalschirm angebrachte Optiken Sh1 (zwei weiße Lichter nach rechts oben steigend,
Rangierverbot aufgehoben) zeigen. In den Kehranlagen selbst finden meist nur Wartezeichen Ra11 (oranges W) in
Verbindung mit dem Lichtsignal Sh1 Verwendung.
Alle im Bahnhofsbereich vorhandenen Signale fallen nach Vorbeifahrt eines Zuges auf Hp0 (rot, Halt!) und
müssen vom Fahrdienstleiter des zuständigen Stellwerks für jede Fahrt neu gestellt werden.
Zur Vereinfachung der Stellwerksbedienung gibt es daher bei den kleinen elektromechanischen Stellwerken in
Barmbek und Hasselbrook als Sonderausstattung für den S-Bahn-Betrieb sogenannte
Durchgangsbetriebshebel. Mit deren Bedienung funktionieren alle zugehörigen Signale wie auf
einer gewöhnlichen Selbstblockstrecke, d.h. sie wechseln bei Vorbeifahrt eines Zuges nicht auf Hp0
(rot, Halt!), sondern nur in die Stellung Sv0 (gelb/gelb, Halt! Weiterfahrt auf Sicht). Nach Räumung
des Freimeldeabschnitts gehen sie selbsttätig wieder in die Fahrtstellung, ohne dass der
Fahrdienstleiter eingreifen muss. Zum Aussetzen eines Zuges in die Abstellanlage wird der
Durchgangsbetrieb zurückgenommen. Die Signale fallen in die Hp0-Stellung zurück, und die
bisher festgelegten Weichen können für die Rangierfahrt gestellt werden.
Spurplan-Drucktastenstellwerk SpDrS 60, Zentralblock
In Landwehr befindet sich die Schnittstelle zwischen Selbstblockstrecke und der Stellwerksbauform SpDrS 60
(Spurplan-Drucktastenstellwerk der Bauform Siemens, Entwicklungsjahr 1960), die mit Inbetriebnahme des
Zentralstellwerks Hhs (Hamburg Hauptbahnhof S-Bahn) am 10. Mai 1975 bei der S-Bahn Einzug hielt.
Nahtlos daran an schließt seit 19. April 1979 das Zentralstellwerk As (Altona S-Bahn),
ebenfalls in SpDrS 60-Technik. Weitere Stellwerke dieser Bauform stehen in Wedel (S1), Elbgaustrasse und
Pinneberg (S21, S3), Neugraben, Harburg Rathaus und Wilhelmsburg (S3, S31). Letzteres war nur von September
1983 bis August 1984 besetzt, um während der noch andauernden Streckenausbau-Arbeiten die Zugfahrten im
noch eingleisigen Abschnitt zwischen Veddel und Wilhelmsburg zu regeln. Seit Herstellung der Zweigleisigkeit
wird dieses Stellwerk von Harburg Rathaus aus ferngesteuert.
Bei den Spurplanstellwerken finden ausschließlich die Sv-Signale in einer moderneren Bauform mit
vergrößertem Signalschirm Verwendung, auf dem alle Signalbegriffe über einzelne Optiken
angezeigt werden. Ausnahmen gibt es bei einigen Signalen des Stellwerks Hhs am Hauptbahnhof, die
noch mit Blendenrelais ausgerüstet sind. Im Tunnelbereich kommen spezielle aus einzelnen Segmenten zusammengesetzte Signale in sehr kompakter Bauform
zum Einsatz.
Beim hier auf freier Strecke vorhandenen Zentralblock zeigen alle Signale in der Grundstellung
Sv0 (gelb/gelb, Halt! Weiterfahrt auf Sicht) und werden im Gegensatz zum Selbstblock vom Stellwerk aus gestellt
und überwacht. Sie kommen erst in Fahrtstellung, wenn eine Fahrstraße für eine Zugfahrt auf
die Zentralblockstrecke eingestellt wird. Zur Entlastung der Fahrdienstleiter ist in allen Spurplanstellwerken
Selbststellbetrieb eingerichtet, mit dem sich die Züge über Gleiskontakte bestimmte
Fahrwege selbst einstellen können.
Mechanisches Stellwerk, Formsignale
Westlich von Altona, zwischen Klein Flottbek und Sülldorf, befindet sich der signaltechnisch gesehen
schönste Teil des Hamburger S-Bahn-Netzes. Jeder Bahnhof und Haltepunkt bis Blankenese ist mit einem
elektromechanischen Stellwerk und Felderblock ausgerüstet, von dem aus noch Formsignale gestellt werden.
Eine besondere Augenweide für den Eisenbahnkenner bildet das mechanische Stellwerk (Bauform Jüdel) im Bahnhof Sülldorf. Seit dem 23. Juni 1927 werden hier mit Hilfe dieser Technik Zugkreuzungen auf dem ansonsten eingleisigen Abschnitt zwischen Blankenese und Rissen durchgeführt.
Im ebenerdigen Gebäudekomplex
aus dunklem Backstein, durch den auch der Zugang zum Bahnsteig erfolgt, sind neben Diensträumen und einem
Geschäft auch das mechanische Stellwerk untergebracht, von dem über Drahtzugleitungen 8 Signale, zwei
Weichenriegel und außerdem elektrisch zwei Weichen, der letzte bei der S-Bahn vorhandene Bahnübergang mit
Vollschranken über den Sülldorfer Kirchenweg sowie eine kleine Fußgängerschranke im Zugang zum Bahnsteig bedient
werden. Diese beiden Anlagen und die Bahnübergänge mit Halbschranken Sieversstücken (lokführerüberwacht) zwischen Sülldorf und
Rissen sowie Autal (signalabhängig vom Spurplanstellwerk Wf) kurz vor Wedel sind die einzigen noch bei
der S-Bahn vorhandenen niveaugleichen Kreuzungen zwischen Schiene und Straße.
Elektronisches Stellwerk, Ausblick auf künftige Entwicklung
Mit Wiederinbetriebnahme der S-Bahn von Bergedorf nach Reinbek am 1. Juni 1997 ging die bisher modernste
signaltechnische Anlage der S-Bahn, das elektronische Stellwerk Bfs in Bergedorf, in Betrieb.
Gleichzeitig wurden sieben alte Stellwerke mit elektromechanischer Technik überflüssig. Der Stellbezirk reicht
heute von Rothenburgsort bis Aumühle (S21, S2).
Zum Einsatz kommen ausschließlich die neuen Kombinations-Signale (Ks), eine Weiterentwicklung der
Signalverbindungen (Sv). Es werden bei diesem Signalsystem nur drei Stellungen gezeigt: Hp0 (rot, Halt!),
Ks1 (grün, Fahrt) und Ks2 (gelb, Halt erwarten). Über zusätzliche Anzeiger können dem
Lokführer Informationen über zulässige Geschwindigkeiten, Fahrten im Gleiswechselbetrieb und
Türschließ- sowie Abfahraufträge gegeben werden. Da diese Signalbauform zwingend für neue
Stellwerke vorgeschrieben ist, werden künftige Anlagen nur noch mit Ks-Signalen ausgerüstet.
Ab 2008 wird ein elektronisches Stellwerk in Ohlsdorf die dortigen alten Sicherungsanlagen ersetzen und die Neubaustrecke
zum Flughafen sowie die Gleise bis kurz vor Barmbek und Poppenbüttel überwachen.
Wann jedoch die letzten mechanischen und elektromechanischen Stellwerke
bei der S-Bahn außer Betrieb gehen werden, ist noch nicht abzusehen.