Signale und Stellwerke

Auch im Jahr 2007 sind bei der S-Bahn noch alle bislang verwendeten Stellwerksbauformen aus einem Jahrhundert anzutreffen:
Ein mechanisches Stellwerk (Bauform Jüdel), acht Anlagen mit elektromechanischer Sicherungstechnik (Siemens & Halske 1912/E43) und acht Spurplan-Drucktastenstellwerke der Bauform Siemens (SpDrS 60). Abgeschlossen wird diese Vielfalt vom ersten elektronischen Stellwerk (El S) der Firma Siemens, das am 1. Juni 1997 in Betrieb ging.

Selbstblock, elektromechanische Stellwerke, Signalverbindungen
Auf der ältesten Strecke der S-Bahn von im Norden gelegenen Stadtteil Poppenbüttel bis in das im Westen auf schleswig-holsteinischem Gebiet liegende Wedel (Linien S1, S11) sind auch die ältesten Anlagen anzutreffen:

Es beginnt in Poppenbüttel mit einem elektromechanischen Stellwerk (Bauform E43), das zur Sicherung der Rangierfahrten in der umfangreichen Abstellanlage um ein Drucktasten-Stellpult ergänzt wurde. Dieses Pult dient zur Anzeige der Gleisbesetzung des gesamten Bahnhofs, außerdem werden von dort die Lichtsperrsignale für die Rangierfahrten bedient. Das für diese Anlage ungewöhnlich junge Inbetriebnahmedatum 6. Juni 1982 hängt mit dem Umbau der Zugangsanlage des Bahnhofs zusammen, bei dem das ursprüngliche mechanische Stellwerk am Treppenaufgang (Inbetriebnahme 1934, Bauform Jüdel) der Baggerschaufel zum Opfer fiel.

Interessanterweise wurden von diesem mechanischen Stellwerk niemals die üblichen Formsignale, sondern von Anfang an spezielle für den Stadtbahnbetrieb entwickelte „Signalverbindungen“ (Sv-Signale) gestellt. Als Besonderheit sind hierbei das Haupt- und Vorsignalbild auf einem Signalschirm nebeneinander vereinigt. Die linken Lichter entsprechen den Hauptsignalbildern Hp0 (rot, Halt!), Hp1 (grün, Fahrt mit zugelassener Höchstgeschwindigkeit) und Hp2 (grün/gelb, Fahrt mit Geschwindigkeitsbeschränkung) und geben an, ob und wie schnell der nachfolgende Gleisabschnitt befahren werden darf. Die rechten Lichter auf dem Signalschirm entsprechen den Vorsignalbildern Vr0 (gelb/gelb, Halt erwarten), Vr1 (grün/grün, Fahrt erwarten) und Vr2 (grün/gelb, Fahrt mit Geschwindigkeitsbeschränkung erwarten) zu dem am folgenden Signal angezeigten Hauptsignalbild. Mit dem Sv-Signalsystem, erstmalig bei der Berliner S-Bahn verwendet, ist auf einfache Art eine eindeutige Fahranweisung an den Lokführer zu übermitteln.

Einen optimalen Überblick zum Sv- und den anderen, bei der Deutschen Bahn verwendeten Signalsystemen erhalten Sie auf den Signal-Seiten von Christoph Schmitz. Dort lassen sich sogar alle Signalbilder per Mausklick anzeigen!

Diese „Signalverbindungen“ in alter Bauform sind überall zwischen Poppenbüttel und Landwehr (Linien S1/S11) anzutreffen. Auf freier Strecke wird der 1944/45 eingeführte „Selbstblock“ verwendet, der als ein von der Bedienung des Menschen unabhängiges Signalsystem viele kleine Blockstellen mit Formsignalen überflüssig machte und die mögliche Zugfolgezeit von 210 auf 90 Sekunden verringerte. Voraussetzung für den Einsatz des Selbstblocks war die Ausrüstung der Strecken mit Gleisstromkreisen, die mit einer an die Fahrschienen gelegten geringen Wechselspannung (bei der S-Bahn mit der Frequenz von 42 Hertz) ein Überwachungsrelais zum Anzug bringen. Befährt ein Zug den überwachten Abschnitt, schließen die Achsen den Stromkreis kurz und das Überwachungsrelais „fällt ab“. Aus der Stellung dieses Relais’ kann die nötige Information (Gleis frei oder besetzt) für die Ansteuerung entsprechender Signalbilder entnommen werden.

In der Grundstellung zeigen die Selbstblocksignale Sv1 (grün/grün, Fahrt! Fahrt erwarten). Sie „fallen“ nach Vorbeifahrt eines Zuges automatisch auf Sv0 (gelb/gelb, Halt! Weiterfahrt auf Sicht) und decken damit den Zug vor nachfolgenden Fahrten. Nachdem dieser zwei weitere Signale vollständig passiert hat und diese Halt zeigen, kommt das erste Signal in die Stellung Sv2 (grün/gelb, Fahrt! Halt erwarten).
Die Grundstellung Sv1 (grün/grün, Fahrt! Fahrt erwarten) erreicht es wieder, wenn der Zug ein viertes Signal in die Haltstellung gebracht hat und das zweite Signal die Stellung Sv2 (grün/gelb, Fahrt! Halt erwarten) zeigt.
Die Farbwechsel der beiden Signallichtpunkte werden bei den Selbstblocksignalen durch sogenannte „Blendenrelais“ erzeugt, die farbige Gläser zwischen Signaloptik und die mit zwei Glühfäden (Haupt- und Nebenfaden) ausgerüsteten Lampen schieben.

Ein Zug befindet sich in der Regel unter der Deckung von zwei haltzeigenden Signalen; Abweichungen hiervon gibt es im Bereich von Bahnsteigen zur Verringerung der Zugfolgezeiten. Auf freier Strecke ohne Weichen wird dieser Haltbegriff aber nur bedingt gegeben. Dem Lokführer ist es nach einem kurzen Halt am „Gelb/Gelb“-zeigenden Signal gestattet, die Fahrt „auf Sicht“ mit höchstens 40 km/h fortzusetzen. Steht im folgenden Abschnitt jedoch noch ein anderer Zug, muss erst dessen Weiterfahrt abgewartet werden. Ist dies aufgrund der Sicht- oder Streckenverhältnisse (Nebel, Dunkelheit, Tunnel, Kurven) nicht eindeutig feststellbar, können sich daher in Einzelfällen bei dichtem Verkehr, verzögerter Betriebsabwicklung oder Signalstörungen mehrere Züge in einem von zwei Signalen begrenzten „Blockabschnitt“ befinden.
Diese Regelung bildet einen erheblichen Gegensatz zu dem bei der Fernbahn verwendeten Signalsystem, das einem Zug prinzipiell nur die Fahrt in einen vollständig freien Blockabschnitt gestattet.

Auf den Unterwegsbahnhöfen Ohlsdorf, Barmbek und Hasselbrook (Linien S1/S11) befinden sich elektromechanische Stellwerke (Siemens & Halske 1912), von denen aus alle Zugfahrten im Bahnhofsbereich sowie die Rangierfahrten in die Kehr- und Abstellanlagen geregelt werden. Hier zeigen die Sv-Signale zur Deckung von Weichen zusätzlich Hp0 (rot, Halt!). Dieser Signalbegriff gestattet keine Weiterfahrt auf Sicht. Bei Störungen kann das Signal jedoch bei richtiger Lage aller zur Fahrstraße gehörenden Weichen vom Fahrdienstleiter für 90 Sekunden in die Stellung Sv0 (gelb/gelb, Halt! Weiterfahrt auf Sicht) gebracht werden. Ist dies auch nicht möglich, dürfen bestimmte haltzeigende oder gestörte Signale auf mündlichen Auftrag des Fahrdienstleiters (über Zugfunk oder Signalfernsprecher) passiert werden. Sie sind durch eine weiße Tafel mit rotem Schreibschrift-M gekennzeichnet. Außerdem besitzen einige Signale zusätzlich Einzeloptiken, um Langsamfahrbegriffe (Sv3 bis Sv6) über abzweigend gestellte Weichen zu signalisieren.

Rangierarbeiten auf Signal „Sh1“ in Poppenbüttel Von Rangierfahrten passierte Signale sind mit Lichtsperrsignalen ausgerüstet oder können über weitere auf dem Signalschirm angebrachte Optiken Sh1 (zwei weiße Lichter nach rechts oben steigend, Rangierverbot aufgehoben) zeigen. In den Kehranlagen selbst finden meist nur Wartezeichen Ra11 (oranges W) in Verbindung mit dem Lichtsignal Sh1 Verwendung.

Alle im Bahnhofsbereich vorhandenen Signale fallen nach Vorbeifahrt eines Zuges auf Hp0 (rot, Halt!) und müssen vom Fahrdienstleiter des zuständigen Stellwerks für jede Fahrt neu gestellt werden. Zur Vereinfachung der Stellwerksbedienung gibt es daher bei den kleinen elektromechanischen Stellwerken in Barmbek und Hasselbrook als Sonderausstattung für den S-Bahn-Betrieb sogenannte „Durchgangsbetriebshebel“. Mit deren Bedienung funktionieren alle zugehörigen Signale wie auf einer gewöhnlichen Selbstblockstrecke, d.h. sie wechseln bei Vorbeifahrt eines Zuges nicht auf Hp0 (rot, Halt!), sondern nur in die Stellung Sv0 (gelb/gelb, Halt! Weiterfahrt auf Sicht). Nach Räumung des Freimeldeabschnitts gehen sie selbsttätig wieder in die Fahrtstellung, ohne dass der Fahrdienstleiter eingreifen muss. Zum Aussetzen eines Zuges in die Abstellanlage wird der „Durchgangsbetrieb“ zurückgenommen. Die Signale fallen in die Hp0-Stellung zurück, und die bisher festgelegten Weichen können für die Rangierfahrt gestellt werden.

Spurplan-Drucktastenstellwerk SpDrS 60, Zentralblock
In Landwehr befindet sich die Schnittstelle zwischen Selbstblockstrecke und der Stellwerksbauform SpDrS 60 (Spurplan-Drucktastenstellwerk der Bauform Siemens, Entwicklungsjahr 1960), die mit Inbetriebnahme des Zentralstellwerks „Hhs“ (Hamburg Hauptbahnhof S-Bahn) am 10. Mai 1975 bei der S-Bahn Einzug hielt.
Nahtlos daran an schließt seit 19. April 1979 das Zentralstellwerk „As“ (Altona S-Bahn), ebenfalls in SpDrS 60-Technik. Weitere Stellwerke dieser Bauform stehen in Wedel (S1), Elbgaustrasse und Pinneberg (S21, S3), Neugraben, Harburg Rathaus und Wilhelmsburg (S3, S31). Letzteres war nur von September 1983 bis August 1984 besetzt, um während der noch andauernden Streckenausbau-Arbeiten die Zugfahrten im noch eingleisigen Abschnitt zwischen Veddel und Wilhelmsburg zu regeln. Seit Herstellung der Zweigleisigkeit wird dieses Stellwerk von Harburg Rathaus aus ferngesteuert.

Bei den Spurplanstellwerken finden ausschließlich die Sv-Signale in einer moderneren Bauform mit vergrößertem Signalschirm Verwendung, auf dem alle Signalbegriffe über einzelne Optiken angezeigt werden. Ausnahmen gibt es bei einigen Signalen des Stellwerks „Hhs“ am Hauptbahnhof, die noch mit Blendenrelais ausgerüstet sind. Im Tunnelbereich kommen spezielle aus einzelnen Segmenten zusammengesetzte Signale in sehr kompakter Bauform zum Einsatz.

Beim hier auf freier Strecke vorhandenen „Zentralblock“ zeigen alle Signale in der Grundstellung Sv0 (gelb/gelb, Halt! Weiterfahrt auf Sicht) und werden im Gegensatz zum Selbstblock vom Stellwerk aus gestellt und überwacht. Sie kommen erst in Fahrtstellung, wenn eine Fahrstraße für eine Zugfahrt auf die Zentralblockstrecke eingestellt wird. Zur Entlastung der Fahrdienstleiter ist in allen Spurplanstellwerken „Selbststellbetrieb“ eingerichtet, mit dem sich die Züge über Gleiskontakte bestimmte Fahrwege selbst einstellen können.

Mechanisches Stellwerk, Formsignale
Mechanisches Stellwerk „Sdf“ in Sülldorf Westlich von Altona, zwischen Klein Flottbek und Sülldorf, befindet sich der signaltechnisch gesehen schönste Teil des Hamburger S-Bahn-Netzes. Jeder Bahnhof und Haltepunkt bis Blankenese ist mit einem elektromechanischen Stellwerk und Felderblock ausgerüstet, von dem aus noch Formsignale gestellt werden.

69 Jahre liegen zwischen Stellwerkstechnik und neuer Fahrzeuggeneration Eine besondere Augenweide für den Eisenbahnkenner bildet das mechanische Stellwerk (Bauform Jüdel) im Bahnhof Sülldorf. Seit dem 23. Juni 1927 werden hier mit Hilfe dieser Technik Zugkreuzungen auf dem ansonsten eingleisigen Abschnitt zwischen Blankenese und Rissen durchgeführt.

Im ebenerdigen Gebäudekomplex aus dunklem Backstein, durch den auch der Zugang zum Bahnsteig erfolgt, sind neben Diensträumen und einem Geschäft auch das mechanische Stellwerk untergebracht, von dem über Drahtzugleitungen 8 Signale, zwei Weichenriegel und außerdem elektrisch zwei Weichen, der letzte bei der S-Bahn vorhandene Bahnübergang mit Vollschranken über den Sülldorfer Kirchenweg sowie eine kleine Fußgängerschranke im Zugang zum Bahnsteig bedient werden. Diese beiden Anlagen und die Bahnübergänge mit Halbschranken „Sieversstücken“ (lokführerüberwacht) zwischen Sülldorf und Rissen sowie „Autal“ (signalabhängig vom Spurplanstellwerk „Wf“) kurz vor Wedel sind die einzigen noch bei der S-Bahn vorhandenen niveaugleichen Kreuzungen zwischen Schiene und Straße.

Elektronisches Stellwerk, Ausblick auf künftige Entwicklung
Elektronisches Stellwerk „Bfs“ in Bergedorf Mit Wiederinbetriebnahme der S-Bahn von Bergedorf nach Reinbek am 1. Juni 1997 ging die bisher modernste signaltechnische Anlage der S-Bahn, das elektronische Stellwerk „Bfs“ in Bergedorf, in Betrieb. Gleichzeitig wurden sieben alte Stellwerke mit elektromechanischer Technik überflüssig. Der Stellbezirk reicht heute von Rothenburgsort bis Aumühle (S21, S2).

Moderne Bedienplätze im elektronischen Stellwerk Zum Einsatz kommen ausschließlich die neuen Kombinations-Signale (Ks), eine Weiterentwicklung der Signalverbindungen (Sv). Es werden bei diesem Signalsystem nur drei Stellungen gezeigt: Hp0 (rot, Halt!), Ks1 (grün, Fahrt) und Ks2 (gelb, Halt erwarten). Über zusätzliche Anzeiger können dem Lokführer Informationen über zulässige Geschwindigkeiten, Fahrten im Gleiswechselbetrieb und Türschließ- sowie Abfahraufträge gegeben werden. Da diese Signalbauform zwingend für neue Stellwerke vorgeschrieben ist, werden künftige Anlagen nur noch mit Ks-Signalen ausgerüstet.

Ab 2008 wird ein elektronisches Stellwerk in Ohlsdorf die dortigen alten Sicherungsanlagen ersetzen und die Neubaustrecke zum Flughafen sowie die Gleise bis kurz vor Barmbek und Poppenbüttel überwachen.

Wann jedoch die letzten mechanischen und elektromechanischen Stellwerke bei der S-Bahn außer Betrieb gehen werden, ist noch nicht abzusehen.


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